Abschiede...

Das Leben besteht aus Abschieden - immer wieder, unvermeidbar. Und Erinnerungen. An Vergangenes, an Dinge die waren und nicht mehr sind.
Dabei sind Erinnerungen körperlos, ohne Substanz. Und man sollte meinen, sie hätten keine Macht über uns.
Und doch. Alte Wunden können schmerzen, Gedanken an einen glücklichen Moment ein flüchtiges Lächeln zaubern, das im selben Moment auch sofort wieder Vergangenheit wird.
Und Erfahrung, die Summe aller Erinnerungen, macht uns zu dem, was wir sind. Ob wir es wollen, oder nicht. Ob es Erlebnisse sind, die wir gerne gemacht haben, oder die wir lieber nie erfahren hätten. Aussuchen kann man nur selten.

Manchmal bewahren wir Dinge auf. Kleine Stückchen, die einem vergangene Zeiten in Erinnerung rufen. Fotos, Steinchen, Kleinode ohne ersichtlichen Wert, aber un- schätzbar für uns.
Man wagt oft nicht, sich davon zu trennen. Hütet sie, bewahrt sie. Selbst wenn sie traurige Gefühle wachrufen. Ab und zu stolpert man darüber. Vielleicht bei dem verzweifelten Versuch, Ordnung zu schaffen, oder weil man etwas vermeintlich wichtiges sucht.
Und plötzlich sitzt man da, hält etwas in der Hand, und ist um Monate, Jahre, manchmal Leben weit entfernt vom Jetzt und Hier.

Wie war das damals, als ich diese drei Kornähren pflückte, und sie liebevoll an der Wand befestigte? Ein anderes Leben, ein anderer Mensch. Wie glücklich war ich da, und wie voller Angst um die Zukunft? Und wieviel Leid folgte darauf? So viel Leid, dass ich die drei Kornähren verbannte, in einen Schrank, zu lauter anderem Krimskrams, weil ich nicht mehr erinnert werden wollte. Und doch.. die Kornähren kamen mit, als ich auszog, um mal wieder ein neues Leben zu beginnen. Warum?

Oder ein Stück Konfetti. Aus einem anderen Leben. Leicht zu übersehen, leicht zu verlieren.
Ich fand es in meinem BH, wenige Tage nach Silvester, einem Silvester wo ich glücklich war. Glücklich mit mir, glücklich mit ihm. Glücklich in all dem Konfetti und all den anderen Menschen.
Dieses kleine Stück Konfetti war nicht anders. Ich war anders. Als es kein "wir" mehr gab. Und dieses kleine rote Stück Papier mir die Tränen in die Augen trieb. Und doch.. sicher liegt es in einem kleinen Kästchen. Obwohl es mich nicht glücklich macht.

Aber irgendwann werde ich wieder darüber stolpern. Und dann werde ich dasitzen, um Jahre und Leben versetzt, und werde mich wundern. War ICH das? Wieso ist das noch hier? Ich hatte ja keine Ahnung...
Und werde merken, dass ich schon wieder ein anderes Leben führe. Ein neues, hoffentlich schöneres. Und der kleine Fetzen Papier nichts mehr mit mir zu tun hat. Wie diese drei Kornähren, die jetzt nicht mehr mit mir gehen werden.

Eine andere Zeit, ein anderes Leben, ein anderer Mensch.

War ich das?

Monica Mossau · Gepostet am 1. Oktober 1999

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